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Bundesgerichtshof über Amtsermittlungspflicht des Insolvenzgerichts zu Voraussetzungen eines Versagungstatbestands nur bei zulässigen Antrag auf Versagung Restschuldbefreiung 

30.4.2024

Ein Versagungsantrag ist nur zulässig, wenn das Vorliegen eines Versagungsgrunds schlüssig dargelegt und erforderlichenfalls glaubhaft gemacht ist. Dabei ist ausschließlich der bis zum Schlusstermin gehaltene und glaubhaft gemachte Vortrag des Antragstellers zu berücksichtigen. Beträgt der Unter-schied zwischen dem tatsächlich erzielten Einkommen und bei einem anderen Arbeitgeber erzielbaren Einkommen rd. 3 Prozent des Bruttoeinkommens und liegt der pfändbare Anteil aus dem Unterschiedsbetrag deutlich unter 100 Euro, führt allein dieser Gehaltunterschied bei einem zum Zeitpunkt der Er-öffnung des Insolvenzverfahrens über 63 Jahre alten, in Vollzeit tätigen Schuldners nicht dazu, dass die von ihm bereits ausgeübte Tätigkeit nicht mehr als angemessene Erwerbstätigkeit anzusehen ist - liess der Bundesgerichtshof (BGH) im Beschluss vom 7.März 2024 - Az: IX ZB 47/22 wissen.

Mit Beschluss vom 18.Oktober 2019 eröffnet das Amtsgericht (AG) - Insolvenzgericht - das Insolvenzverfahren über das Vermögen des im Jahr 1956 geborenen Schuldners. Der Beschluss stellte ihm Restschuldbefreiung für den Fall in Aussicht, dass er seine Obliegenheiten nachkommt und Versagungs-gründe nicht vorliegen. Das AG bestellte zugleich die weitere Beteiligte zu 1) zum Insolvenzverwalter. Der Schuldner ist von Beruf Maschinenbauinge-nieur. Von 1994 bis 2018 war er bei der Firma R. GmbH & Co, KG angestellt, die ebenso wie er in die Insolvenz geraten ist. Geschäftsführerin der Gesell-schaft ist seine Ehefrau (T. R.). Vom 1.Februar 2019 bis Ende Mai 2020 war der Schuldner bei der Firma T. R. Verwaltungs GmbH als Geschäftsführer, danach als Prokurist tätig. Die GmbH ist Komplementärin der T. R. GmbH & Co. KG, bei der Schuldnerin ist er seit dem 1.Juni 2020 auch als Prokurist beschäftigt. Das monatliche Bruttogehalt des Schuldners belief sich - laut Bericht der Beteiligten zu 1) - seit Februar 2019 auf 1 700 Euro. Zudem wurde ihm in diesem Zeitraum ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt, woraus sich ein zusätzlicher monatlicher Bruttoverdienst i. H. von rd. 1 000 Euro für ihn ergab. Die sich nach dem Gesamteinkommen von rd. 2 700 Euro errechneten pfändbaren Beträge führte der Schuldner an die Beteiligte zu 1) ab. Die weiteren Beteiligten zu 2) und 3) beantragten mit Schriftsatz vom 14.September 2020 unter Bezugnahme auf den Bericht der Beteiligten zu 1) die Versa-gung der Restschuldbefreiung, weil der Schuldner seine Erwerbsobliegenheiten verletzt habe. Das AG versagte die Restschuldbefreiung. Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde des Schuldners blieb vor dem LG ohne Erfolg. Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners hob der BGH die Beschlüsse von AG und LG auf und verwarf den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiuung als unzulässig. Der Versagungsantrag der Beteiligten zu 2) und 3) ist unschlüssig und bereits deshalb als unzulässig zu verwerfen. Die Versagung der Restschuldbefreiung setzt einen Antrag eines Gläubigers voraus. Nach § 290 Abs.2 S.1 Halbsatz 1 Insolvenzordnung (InsO) ist der Antrag bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Abs.1 InsO schriftlich zu stellen, er ist nur zulässig, wenn ein Versagungsgrund glaubhaft gemacht wird. Den Anforderungen an die Glaubhaftmachung als Teil der Zulässigkeits-prüfung ist genügt, wenn für den geltend gemachten Versagungsgrund eine überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht. Zum Zwecke der Glaubhaftma-chung hat der Gläubiger bis zum Schlusstermin die notwendigen Beweismittel beizubringen. Der Gläubiger ist alleine dafür verantwortlich, die an die Glaubhaftmachung des Versagungsgrunds gestellen Anforderungen zu erfüllen. Ebenso wie im Stadium der Prüfung, ob ein Eröffnungsantrag zulässig ist, greift die Amtsermittlungspflicht des Insolvenzgerichts in diesem Verfahrensabschnitt nicht ein. Auch wenn die von dem Antragsteller behaupteten Tat-sachen unstreitig sind und deshalb keiner Glaubhaftmachung bedürfen, ist ein Versagungsantrag dennoch unzulässig, wenn sein Vortrag unschlüssig ist, weil auf der Grundlage der von ihnen seinem Antrag zugrunde gelegten Tatsachen die Voraussetzungen eines Versagungsgrunds nicht erfüllt sind. Die Pflichten und die Befugnis des Insolvenzgerichts zur Ermittlung des weiteren Sachverhalts setzen erst ein, wenn der Gläubiger einen Versagungsgrund schlüssig vorträgt und erforderlichenfalls glaubhaft macht. Die Insolvenzordnung hat das Verfahren über den Antrag, die Restschuldbefreiung zu versagen, weitgehend kontradiktorisch (widersprechend) ausgestattet. Die Vorschrift des § 290 Abs.2 InsO soll verhindern, dass das Insolvenzgericht auf bloße Ver-mutungen gestützte aufwändige Ermittlungen führen muss. Dies hat erst recht Geltung, wenn der Versagungsgrund schon auf der Grundlage der eigenen, wenn auch unstreitigen Darlegungen des Antragstellers im Zeitpunkt des Schlusstermins unschlüssig ist. Der letztmögliche Zeitpunkt, zu dem ein unzu-lässiger - unschlüssiger oder nicht glaubthaft gemachter - Antrag nachgebessert werden kann, ist der Schlusstermin. Die gem. § 290 Abs.2 InsO erfor-derliche Glaubhaftmachung des Versagungsgrunds muss spätestens dann erfolgen und kann im Beschwerdeverfahren nicht nachgeholt werden. Erst recht ist das Nachschieben von Versagungsgründen im Beschwerdeverfahren unzulässig. Tatsachen, die zum ersten Mal nach dem Schlusstermin in das Ver-fahren eingeführt werden, sind für die Zulässigkeit des Versagungsantrags mithin unerheblich. Das gilt gerade auch dann, wenn diese Tatsachen - wie hier - angesichts einer nach dem Schlusstermin erfolgten Amtsermittlung des Insolvenzgerichts bekannt geworden sind. Der Vergleich des von den Betei-ligten zu 2) und 3) behaupteten erzielbaren Einkommens des Schuldners i. H. v. 2 800 Euro mit dem unstreitigen tatsächlichen Schuldnereinkommen i. H. v. rd. 2 700 Euro ergibt eine Differenz von nur etwa 88 Euro brutto. Diese Abweichung führt unter den Umständen des Streitfalls nicht dazu, dass die vom Schuldner ausgeübten Tätigkeiten keine angemessene Erwerbstätigkeit i. S. d. Erwerbsobliegenheit des § 287b InsO darstellt. Beträgt der Unter-schied zwischen dem tatsächlich erzielten Einkommen und den bei einem anderen Arbeitgeber erzielbaren Einkommen rd. 3 Prozent des Bruttoeinkom-mens und liegt der pfändbare Anteil aus dem Unterschiedsbetrag deutlich unter 100 Euro führt allein dieser Gehaltsunterschied bei einem zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den 63 Jahre alten, in Vollzeit tätigen Schuldner nicht dazu, dass die von dem Schuldner bereits ausgeübte Tätigkeit nicht mehr als angemessene Erwerbstätigkeit anzusehen ist. An besonderen Umständen, die für einen Wechsel des Arbeitsplatzes sprechen, fehlt es im Streitfall, nach den Aufstiegsmöglichkeiten des Schuldners aufgrund seines nahenden Ruhestands nicht zu erwarten waren und ein Wechsel aus einer gesicherten Stellung in eine neue Anstellung mit Risiken wie etwa einer Probezeit und geringem Kündigungsschutz verbunden ist.

 


Landgericht: Pflichten der Feuerwehr vor gewaltsamer Öffnung der klemmenden Heckklappe eines Taxis zur Fahrgastbefreiung

2.5.2024

Nach dem Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes bedarf es im Rahmen der Eingriffsverwaltung für jede nachteilige Maßnahme einer gesetzlichen Ein-griffsgrundlage, von der sowohl formell als auch materiall rechtmäßig Gebrauch gemacht worden sein muss. So kann es zur Pflicht der Feuerwehr zählen, vor einer gewaltsamen Öffnung einer klemmenden Heckklappe eines Taxis zur Befreiung eines Fahrgastes mit dem Eigentümer des Fahrzeugs Kontakt aufzunehmen - erklärte das Landgericht (LG) Hagen im Urteil vom 13.März 2024 - Az: 8 O 282/23.

Der Kläger arbeitet als Taxi-Unternehmer und hat sich auf Alten- und Krankenfahrten konzentriert. Am 5.September 2022 hatte der Neffe und Mitarbeiter des Klägers mit einem Fahrzeug der Marke V. Typ Caddy aus der Taxi-Flotte eine auf einen Rollstuhl angewiesene Kundin zu einer Zahnarztpraxis in der beklagten Gemeinde gefahren. Die Patientin hatte in ihrem Rollstuhl Platz genommen und wurde auf der über die Heckklappe erreichbaren Ladefläche des Caddys transportiert. Ihr Ehemann, der die Fahrt begleitete, saß auf der Rückbank. Beim Rangieren mit dem Fahrzeug war der Fahrer heckseitig gegen einen Poller gestoßen. Dies hatte bei der Verbringung der Kundin in das Fahrzeug keine Probleme beim Öffnen/Schließen der Heckklappe ergeben. Tatsächlich war das Schloss der Hecktür - äußerlich nicht erkennbar - leicht beschädigt worden. Beim Arzt angekommen, gelang es dem Fahrer nicht, die Heckklappe zu öffnen, um die Kundin aus dem Fahrzeug befreien zu können. Nachdem auch eine Mitarbeiterin der Zahnarztpraxis und ein Mitarbeiter des nahe gelegenen Ordnungsamtes sich erfolglos bemüht hatten, entschieden diese die Feuerwehr hinzuzuziehen. Zur Zeit dieser Geschehnisse lag die Außentemperatur bei über 30 ° C und die Seniorin litt unter der Hitze. Nachdem auch die Feuerwehrleute es nicht geschafft hatten, die Heckklappe zu öff nen, entschieden die beiden, die Klappe einzusägen, um den Verschlussbolzen zu erreichen und diesen zu durchtrennen. Eine Kontaktaufnahme mit dem Kläger geschah vor Durchführung dieser Maßnahmen, die zur gelungenen Öffnung der Heckklappe führten, nicht. Später machte der Kläger gegenüber der Beklagten als Trägerin der Feuerwehr Schadensersatz für die Beschädigung an seinem Taxi i. H. von rd. 2 693 Euro geltend. Das LG Hagen gab im Urteil vom 13.März 2024 der Klage vollumfänglich statt. Der Kläger kann die geltend gemachten Ansprüche zwar nicht in voller Höhe aus § 839 Abs.1 S.1 BGB i. V. m. Art. 34 S.1 Grundgesetz (GG) i. V. m. § 249 Abs.1, Abs. 2 S.1 BGB herleiten. Ein ungekürzter Anspruch auf Zahlung von 2 693 Euro nebst Zinsen und Rechtsverfolgungskosten steht ihm jedoch aus einem enteignungsgleichen Eingriff zu. Die Beklagte konnte sich insbesondere nicht auf eine verwaltungsrechtliche Rechtsfertigungsnorm stützen, die die Rechtswidrigkeit entfallen ließe. Denn die tätigen Beamten waren nach dem §§ 1 Nr.2 Alt. 1, 34 Abs.2 S.1, S.2 Gesetz über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz (BHKG) i. V. m. § 14 Abs.1 Ordnungsbehörden-gesetz NRW (OBG NRW) i. V. m. § 55 Abs.2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW (VwVG NRW) nicht berechtigt, die Heckklappe am Fahrzeug des Halters aufzuschneiden, um die Kundin aus dem Fahrzeug zu befreien. Nach dem Prinzip des Vorbehalt des Gesetzes bedarf es im Zuge der Eingriffsver-waltung für jede nachteilige Maßnahme einer gesetzlichen Eingriffsverwaltung für jede nachteilige Maßnahme einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage, von der sowohl formell als auch materiell rechtmäßig Gebrauch gemacht werden muss. Von der bestehenden Ermächtigungsgrundlage hatten die Beamten hier informeller, jedenfalls aber in materieller Hinsicht keinen rechtmäßigen Gebrauch gemacht. Vorliegend war von einem kompletten Ermessenausfall auszugehen. Die Beklagte hatte den Kläger von dem Eingriff nicht kontaktiert. Es wäre eine Sache von wenigen Minuten gewesen, den Fahrer zu bitten, seinen Chef als mutmaßlichen Eigentümer zu verständigen und ihn über das geplante Vorgehen zu informieren. Die Beamten konnten vor Ort gar nicht ausschließen, dass dem Eigentümer des Fahrzeugs womöglich weitere Wege bekannt waren, um eine verklemmende Tür an seinem Fahrzeug zu entrie-geln, was nach dem unsteitigen Vorbringen des Klägers auch der Fall war.


Bundesgerichtshof: Keine Zulassung eines GmbH-Geschäftsführers als Syndikusanwalt

2.5.2024

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 13.März 2024 - Az: AnwZ (Brfg) 43/23 seine bisherige Rechtsprechung unterstrichen, dass die Zulassung eines GmbH-Geschäftsführers als Syndikusanwalt nicht zulässig sei, falls seine fachliche Unabhängigkeit nicht im Gesellschaftsvertrag geregelt sei.

Eine auf der Grundlage eines Dienstvertrags tätige GmbH-Geschäftsführerin bekam von der Rechtsanwaltskammer die Zulassung als Syndikusanwältin. Ein einfacher - nicht satzungsändernder - Gesellschafterbeschluss befreite sie von der organschaftlichen Weisungsgebundenheit. Die Deutsche Renten-versicherung war gegen die Zulassung und klagte vor dem Anwaltsgerichtshof (AGH) auf dessen Aufhebung. Der AGH sah hier u. a. die notwendige fach-liche Unabhängigkeit nicht als gesichert an. Den Antrag der Anwältin auf Zulassung der Berufung hat der BGH mit Beschluss vom 13.März 2024 - Az: AnwZ (Brfg) 43/23 abgelehnt. In Fortsetzung seiner bishrigen Rechtsprechung sieht das höchste deutsche Zivilgericht die nach § 46 Abs.2 S.1, Abs.3 u. 4 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) nötige fachliche Unabhänngigkeit der Anwältin nicht als gewährleistet an. Die ihr gewährte Weisungsfreiheit ge-genüber der Gesellschaft sei in der Satzung nicht verankert. Ohne eine solche Verankerung sei sie als GmbH-Geschäftsführerin gehalten, die Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen. So wenig der BGH eine Zusicherung der Weisungsfreiheit im Anstellungsvertrag ausreichen lässt, findet auch die Erwägung einer Selbstbindung der Gesellschaft durch nicht satzungsändernden Gesellschafterbeschluss Resonanz, weil ein solcher Beschluss zu jeder Zeit wieder aufgehoben werden könnte. Die Frage, ob das Anstellungsverhältnis der GmbH-Geschäftsführerin als “Arbeitsverhältnis” anzusehen ist, liess der BGH unbeantwortet.

Quelle: Redaktion beck-aktuell, ns, GmbH-Geschäftsführer als Syndikus-Anwalt ? BGH bleibt streng, rsw.beck.de 23.April 2024


Landgericht: Feuchte Wohnung kann auch ohne Schimmel mangelhaft sein

26.4.2024

Wegen der Durchfeuchtung der Wände ist die Tauglichkeit der Mietsache gemindert. Nach der BGH-Rechtsprechung haben erhebliche Durchfeuchtungen im Innen- und Außenbereich von Mietwohnungen nachteilige Auswirkungen auf den Wohnkomfort, die Gesundheit und den optischen Eindruck. Extreme Durchfeuchtungen der Innen- und Außenwände müssten deshalb weder in Wohnungs- noch Teileigentumseinheiten hingenommen werden, und zwar selbst dann nicht, wenn gesundheitsschädliche Schimmel (noch) nicht aufgetreten ist. Landgericht Paderborn Urteil vom 6.März 2024 - Az: 1 S 72/22.

Der Beklagte vermietet insgesamt 32 Wohnungen. Die Klägerin ist seit 1.November 2019 Mieterin einer Altauwohnung des Beklagten im Erdgeschoss. Das Haus wurde um 1926 errichtet. Sowohl der Keller des Hauses als auch der zur Wohnung zählende Kellerraum sind feucht. Feuchtigkeit besteht in Teilen der Wände der Mietwohnung. Die Feuchtigkeit hatte dort bereits u. a. zu sichtbaren Salzausblühungen und zerbröselnden Putz geführt. Die Klä-gerin hielt die Feuchtigkeit in der Wohnung und im Keller für einen Mietmangel, der sie zur Mietminderung von 50 Prozent berechtige. Der Beklagte habe, trotz unverzüglicher Anzeige, keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen, um die Feuchtigkeit im Mauerwerk und die zu Grunde liegende Ursache zu be-heben. Ihr Lüftungsverhalten sei ordnungsgemäß. Der Beklagte erwiderte, dass ein Mangel der Mietsache nicht vorliege. In der Wohnung gebe es kei- nen Schimmel. Das Haus entspreche dem Bauzustand von 1924. Die Maßnahmen zum Lüften seitens der Klägerin sei zumindest mit ursächlich für die Feuchtigkeitserscheinungen. Ferner sei eine Beseitigung der bauseitigen Ursache, sofern es eine solche gebe, jedenfalls unverhältnismäßig. Das Amtsge- richt (AG) hat die Klage abgewiesen. Zwar habe der Sachverständige ausgeführt, Wände mit derartig hoher Feuchtigkeit, die innenseitig Salzausblühun-gen aufwiesen, seien im Mietwohnungsbereich nicht akzeptabel. Aus fachlicher Sicht seien zum bestimmungsgemäßenn Gebrauch der Wohnung trocke-ne Wände notwendig. Dem sei jedoch nicht zu folgen. Es sei nicht erkennbar, inwiefern die Feuchtigkeit an sich die Benutzbarkeit der Wohnung ein-schränke. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht (LG) Paderborn mit Urteil vom 6.März 2024 - Az: 1 S 72/22 die erstinstanzliche Entschei-dung abgeändert und der Klage zum Teil stattgegeben. Der Klägerin steht sowohl nach § 535 Abs.1 S. 2 BGB ein Anspruch auf Beseitigung der von ihr geltend gemachten Feuchtigkeitserscheinungen in den betroffenen Wänden im Schlafzimmer, Flur und Wohnzimmer als auch gem. § 536 As.1 BGB ein Feststellungsanspruch bezüglich eines auf die Feuchtigkeitserscheinung in der Wohnung gestützten Minderungsrechts von 20 Prozent zu. Zu Recht hat das AG jedoch einen Anspruch auf Beseitigung der von der Klägerin angemieteten Kellerraum bestehenden Feuchtigkeit verneint. Die in der Wohnung bestehende Feuchtigkeit, die hier u. a. zu sichtbaren Salzausblühungen und zu zerbröselnden Putz geführt habe, stelle einen Mangel der Mietwohnung dar, der zu einem Beseitigungsanspruch der Klägerin führt. Dies gilt - entgegen der Rechtsauffassung des AG - sogar dann, wenn dadurch der bestim-smungsgemäße Gebrauch der Wohnung nicht erheblich beeinträchtigt wäre, wobei eine solche erhebliche Beeinträchtigung hier vorliegt. Die Erfüllung des Instandsetzungsanspruchs stellt sich schließlich auch nicht für den Beklagten als wirtschaftlich unzumutbar dar. Der Beklagte ist Vermieter von insge-samt 32 Wohnungen, sodass an seinen Vortrag zum Lebensunterhalt in Bezug auf den streitgegenständlichen Mietabzug große Zweifel bestehen. Durch die Durchfeuchtung der Wände ist die Tauglichkeit der Mietsache gemindert. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Verweis auf BGH Urteil vom 4.Mai 2018 - Az: V ZR 203/17) haben nach wie vor extreme Durchfeuchtungen von Innen- und Außenwänden von zu Wohnzwecken vermieteten Woh-nungen große nachteilige Auswirkungen auf Wohnkomfort, Gesundheit und den optischen Eindruck. Massive Durchfeuchtungen der Innen- und Außen-wände - wie vorliegend - müssten deshalb weder im Wohnungs- noch in Teileigentumseinheiten hingenommen werden, und zwar auch dann nicht, wenn gesundheitsschädlicher Schimmel (noch) nicht aufgetreten ist. Da die Raumluftfeuchtigkeit nicht zu hoch ist, war eine Minderungsquote von 20 Prozent - und nicht wie von der Klägerin gefordert von 50 Prozent auszusprechen - so die Kammer des LG. Im Hinblick auf den von der Klägerin mitgemieteten Kel lerraum liegt dagegen kein Mangel, der einem Anspruch gem. § 535 Abs.1 S.2 BGB begründet. Zwar wurde ein Feuchtwert von 100 Prozent gemessen. Auch seien an der Putzoberfläche schon Salzausblühungen erkennbar gewesen. Bei dem ermittelten Wert handelt es sich nach den Ausführungen des Sachverständigen der um bauzeit- und bauarttypischen Werte, die nicht überraschen, da die Bodenplatten aus dieser Zeit öfters aus Ziegel oder Mager-beton erstellt worden und daher nicht wasserdicht seien. 1926 hätten auch keine verbindlichen Abdichtungsvorschriften vorgelegen. Da insofern bis zu den 1960er Jahre keine hochwertigen und dauerhaften Abdichtungssysteme zur Verfügung gestanden hätten, würden die Außenwände dieser Altbau-keller häufig einen hohen Feuchtigkeitswert aufweisen.


Landgericht über Kosten für Nutzung einer Wohnung nach Mietende

27.4.2024

Das Landgericht (LG) Hanau hat mit Urteil vom 22.November 2023 - Az: 2 S 35/22 entschieden, dass ein Vermieter gegen den Mieter für die Zeit in welcher dieser ihm die Wohnung nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurückgibt, nur dann ein Anspruch auf die gesetzlich angeordnete Nut-zungsentschädigung zusteht, wenn er auch einen Rücknahmewillen hat.

Der Mieter hatte die Kündigung der Wohnung im vorliegenden Fall zu Ende August 2017 erklärt. Der Vermieter widersprach der Kündigung unter Hinweis auf eine Klausel zum Kündigungsausschluss im Mietvertrag, worüber es zu einem Rechtsstreit kam. Der Mieter war schon bei Vertragsende ausgezogen, hatte jedoch zeitweise noch einige Möbel in der Wohnung stehen. Angesichs des laufenden Gerichtsverfahrens zahlte er die vertragliche Miete unter Vor-behalt weiter. Das Amtsgericht (AG) und das LG Hanau haben in einem Vorprozess die Wirksamkeit der Kündigung bejaht. Der Mieter forderte vom Ver-mieter die unter Vorbehalt geleisteten Zahlungen zurück. Der Vermieter machte dagegen geltend, ihm stehe bis zur Wohnungsrückgabe Nutzungsentschä-digung in Höhe der vertraglich vereinbarten Miete zu. Das AG hat der Klage größtenteils stattgegeben. Nur für die Unterstellung der Möbel hat es dem Vermieter einen Betrag von monatlich 130 Euro zuerkannt. Die dagegen gerichtete Berufung hatte vor dem LG Hanau keinen Erfolg. Eine Nutzungsent-schädiung wegen Vorenthaltens der Mietsache nach § 546a Abs.1 BGB bestehe nach gefestigter BGH-Rechtsprechung nicht, da der Vermieter die Woh-nung in dem relevanten Zeitraum nicht zurückerhalten wollte. Demgegenüber habe er der Kündigung widersprochen und diese Auffassung auch in dem vorherigen Prozess vertreten. Daher musste der Mieter dem Vermieter die Rückgabe auch erst gar nicht anbieten. Der Mieter habe dem Vermieter aller-dings den Wert zu ersetzen, den er durch die Unterstellung der Möbel in der Wohnung erspart hatte. Die von dem AG im Zuge der Schätzug dafür ange-nommenen 130 Euro je Monat seien nicht zu beanstanden - laut Kammer des LG. Das Urteil des Landgerichts Hanau vom 22.November 2023 - Az: 2 S 35/22 ist noch nicht rechtskräftig (Revision schon eingelegt).

Quelle: Landgericht Hanau Pressemitteilung vom 3.April 2024 zum Urteil des LG Hanau vom 22.November 2023 - Az: 2 S 35/22 - Kosten für die Nut-zung einer Wohnung nach Mietende


Landgericht: Keinerlei Ansprüche nach Datenleck bei Finanzdienstleister

29.4.2024

Bezüglich eines Anspruchs auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 Abs.1 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist die Klägerseite für den konkreten Schaden darlegungs- und beweispflichtig. Unerwünschte Kontaktaufnahmeversuche  sind als lästig anzusehen, jedoch im Hinblick auf die vermehrte Angabe von Kontaktdaten bei Online-Einkäufen, Reservierungen etc. nicht zu verhindern - gab das Landgericht (LG) München I mit (End-) Urteil vom 19.April 2024 - Az: 31 O 2122/23 zu bedenken.

Die Beklagte erbrachte über ihre Website Dienstleistungen im Wertpapierbereich, gerade in Form der individuellen Vermögensverwaltung für Privatkunden, sowie finanzdienstleistungsnahe Softwarelösungen. Zusätzlich offeriert sie Brokerage-Dienstleistungen und vermittelt Tages-, Fest- und Flexgeldangebote. Der Kläger ist Kunde der Beklagten und hat ein Kundenkonto bei dieser. Die Beklagte hatte bei ihrem früheren Dienstleister Zugangsinformationen zu ih-rem kompletten IT-System hinterlegt (Zuwendung von Adminrechten). Nach Beendigung der Vertragsbeziehung Ende 2015 geschah weder eine Ände-rung des Admin-Passworts und der Zugangsdaten noch eine Kontrolle der Löschung ihrer Zugangsdaten seitens des Dienstleisters durch die Beklagte. Bei dem IT-Unternehmen kam es allerdings später zu einem “Hacker-Angriff”. Die Hacker verschafften sich mittels der Zugangsdaten Zugriff auf das Doku mentenarchiv der Beklagten und die darin befindlichen Kundendaten, die auch die personenbezogenen Daten der Klägers enthielten. Nachdem der Kläger im Oktober 2020 von der Beklagten über den streitgegenständlichen Datenvorfall Kenntnis bekommen hatte, fragte er zunächst nicht weiter nach. Er ver-traute vielmehr darauf, dass die in den Informationen enthaltenen Daten korrekt waren, und sah keinen Anlass, von der Beklagten weiteres zu verlangen. Sein Kundenverhältnis bei der Beklagten setzte er ohne weitere Bedingungen fort. Erst nach Mandatsübernahme der Klägervertreter im Dezember 2022 regte deren Kanzlei an, noch weitere Informationen zu verlangen. Der Kläger war der Ansicht, ihm sei durch das Datenleck und die daraus folgende un-befugte Weitergabe seiner personenbezogenen Daten schon ein individueller Schaden entstanden. Aus diesem Grund stehe ihm ein Schadensersatzan-spruch nach §§ 1004 BGB analog, § 823 Abs. 1 bzw. Abs.2 BGB i. V. mit Art. 6 Abs.1 DSGVO, Art. 13 DSGVO, Art. 14 DSGVO und Art. 17 DSGVO zu. Das LG hielt die Klage für unbegründet. Der Unterlassungsantrag war nach den Ausführungen der Kammer des LG München I im Urteil vom 19.April 2024 - Az: 31 O 2122/23 zu unbestimmt i. S. von § 253 Abs.2 Nr.2 Zivilprozessordnung (ZPO), weil er klar gemacht hat, welche Fälle des “Dritten zu-gänglich (…) machen” er erfassen soll, welche “nach dem Stand der Technik mögliche Sicherheitsmaßnahmen” die Beklagte bei jeglicher Zugänglich-machung vornehmen müsste und / oder welche “Rechtfertigungsgründe nach DSGVO” das Unterlassungsgebot nicht eingreifen lassen sollen. Beim Antrag auf Auskunft fehlte es an einem Rechtsschutzbedürfnis. Bezüglich der geltend gemachten Schadensersatzansprüche war die Klage unbegründet. Der Klä-ger hat keinen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aus Art. 82 Abs.1 DSGVO, denn es fehlte jedenfalls am Eintritt eines immateriellen Schadens, der sich kausal auf den streitgegenständlichen Datenschutzvorfall zurückführen ließ. Die Klägerseite ist für den konkreten Schaden darlegungs- und ggf. beweispflichtig. Insofern hat der Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass bei ihm aufgrund eines möglichen Datenschutzverstoßes der Beklagten tatsächlich ein konkreter Schaden eingetreten war. Die Erklärungen dazu erschöpften sich nur in allgemeinen formelhaften Wendungen, die mit identischem Inhalt in einer Vielzahl von Verfahren vorgebracht wurden und werden. Diesbezüglich wurde lediglich vorgetragen, der Kläger sehe sich seit-her erhöhten Spamaufkommens ausgesetzt. Seither lebe er in der Sorge vor einem Missbrauch seiner Daten und habe einen kontinuierlichen Kontrollver-lust über äußerst wichtige Daten erlitten. Auch der Umstand, dass der Kläger seit etwa einem Jahr zunehmend betrügerische Kontaktversuche auf seiner schon etwa 20 Jahre von ihm genutzten Handynummer bekommt, stellt kein Indiz für eine missbräuchliche Nutzung gerade der aus dem streitgegen-ständlichen Vorfall abgegriffenen Daten dar. Denn in diesem Zeitraum ist das Allgemeine Lebensrisiko für derartige Kontaktversuche enorm gestiegen und hatte entsprechende Absender aus der bereits etwa 20-jährigen Nutzungsdauer der Handynummer schon genügend andere Möglichkeiten, um an diese zu gelangen. Unerwünschte Kontaktaufnahmeversuche sind zwar lästig, aber im Hinblick auf die vermehrte Angabe von Kontaktdaten bei Online-Einkäu-fen, Reservierungen etc. nicht zu vermeiden.                    


Abgasskandal: Staatsanwaltschaft Hannover erlässt Bussgeld gegen Autozulieferer - Keine Anklage gegen Hersteller in den USA

1.5.2024

Die Staatsanwaltschaft Hannover hat im Zuge der Aufarbeitung des Abgasskandals eine Geldbuße in Höhe von 100 Millionen Euro gegen den Autozu-lieferer C. erlassen. Laut Ausführungen der Strafverfolger werde damit C. wegen “fahrlässiger Verletzung der Aufsichtspflicht” zur Verantwortung gezogen. C. teilte mit, dass man das Bußgeld akzeptiere und auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichte. Nach Information der Staatsanwaltschaft hatte die frühere Antriebssparte von C., die heutzutage als V. Technologies aktiv ist, über zwölf Millionen Motorsteuergeräte und die dazu gehörige Software an in- und ausländische Autohersteller geliefert. Dazu zählt auch die V. AG mit dem in vielen Zivilprozessen streitgegenständlichen Dieselmotor der Baureihe EA 189. Die Geräte enthielten nach Einschätzung der Ermittler Softwareversionen, die zum Teil illegale Strategien aufwiesen.

Dagegen Aufatmen bei dem Autokonzern M. im Südwesten Deutschlands. Der Autobauer erhielt kürzlich ein Schreiben vom amerikanischen Justizminis-terium. Die seit 2016 in den USA gegen den M.-Konzern laufenden Untersuchungen wegen möglicher Manipulationen von Dieselantrieben werden einge-stellt. Die strafrechtlichen Ermittlungen seien abgeschlossen, es wird keine Anklage erhoben - teilte ein Pressesprecher von M. mit. Die Vorständin für In- tegrität, Governance und Nachhaltigkeit hob hervor, dass M. bei dem Sachverhalt im vollem Umfang mit dem US-Justizministerium kooperiert und mit erheblichem Aufwand die Vorgänge transparent gemacht habe. Das Schreiben soll bei M. im März eingegangen sein. Nähere Gründe für die Einstellung des Verfahrens wurden nicht bekannt. Als Folge der Aufklärung des Skandals musste M. bislang an die Staatsanwaltschaft Stuttgart eine Geldbuße i. H. v. 870 Millionen Euro leisten, der zivilrechtliche Vergleich mit amerikanischen Sammelklägern kostete den Konzern 1,9 Milliarden Euro, der Schadensersatz für geschädigte Kunden aus Kanada betrug 175 Millionen Euro. M. muss sich noch auf nationaler Ebene mehr als 20 000 Klagen von deutschen Diesel-fahrzeugkunden stellen. 

Fortsetzung folgt.

Quellen: Christian Müßgens, Henning Peitsmeiner, Continental zahlt Bußgeld im Dieselskandal und Benjamin Wagner, Aufatmen im Mercedes-Konzern, Frankfurter Allgemeine Zeitung 26.April 2024, S.25 u. 29.April 2024, S.20.


Oberlandesgericht: Kein automatischer Schadensersatzanspruch wegen Datenlecks bei sozialem Netzwerk

28.4.2024

Nach dem Bekanntwerden von Datenlecks bei dem sozialen Netzwerk F. wenden sich einige Betroffene gegen die Betreiberin der Plattform. Der für Da-tenschutzrecht zuständige 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg hatte über drei Berufungen zu entscheiden. Bei den zivilrechtlichen Streitigkeiten ging es um sog. Scraping-Fälle. Technisch erfahrene Kriminelle erlangten dabei unbefugt die Nummern von Mobilfunknutzerinnen und Nut-zern aus dem Netzwerk F. und verbreiteten diese im Darknet. Auch die drei Betroffenen, die mit ihrer Berufung vor dem OLG Oldenburg keinen Erfolg hat-ten, sprachen über unerwünschte Werbeanrufe und SMS sowie gefälschte Paketbenachrichtigungen, die sie auf die Veröffentlichung ihrer Handynummern zurückführten. Von der Betreiberin des Social-Media-Konzerns forderten sie Schadensersatz wegen unzureichender Sicherung ihrer Daten. Ihren Klagen hatten bereits vor dem Landgericht (LG) keinen Erfolg. Das OLG wies ihre Berufungen zurück (OLG Oldenburg Urteile vom 16.April 2024 - Az: 13 U 59/23, 13 U 79/23 und 13 U 60/23). 

Klagende müssen zu einem Datenschutzverstoß auch für ihren jeweiligen Einzelfall einen individuellen Schaden transparent machen und beweisen - so der OLG-Senat. Für diesen Nachweis reiche es nicht, überhaupt von dem Datenleck betroffen zu sein. Vielmehr sei in jedem konkreten Einzelfall zu prü-fen, ob die Sorge, die eigenen Daten könnten missbräuchlich von Dritten wirklich genutzt werden, begründet ist. Das OLG hielt die Aussage der Nutzerin/Nutzer jedoch nicht für ausreichend, um sich von einem individuellen Schaden zu überzeugen. Für das Gericht sei nicht klar gewesen, ob die unerlaub-ten Anrufe und SMS auf den Scraping-Vorfall aufgrund einer eventuellen Offenlegung ihrer individuellen Daten im Internet beruhe.

Quelle: NVwZ (Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht) Newsletter, Scraping: Kein automatischer Schadensersatzanspruch wegen Datenlecks bei Facebook, Apr 19, 2024





Bundesgerichtshof zu den Bankkonten des Erblassers und der Prüfungspflicht des Notars bei dem Streit um den Pflichtteil für das notarielle Nachlass-verzeichnis

24.4.2024

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in dem Beschluss vom 7.März 2024 - Az: I ZB 40/23 erneut in ein und derselben Nachlasssache mit einem Streit um den Pflichtteil zu befassen. Die Erblasserin war im Jahr 2010 verstorben, in ihrem Testament hatte sie ihre Tochter zur Alleinerbin bestimmt. Damit waren zwei Töchter einer weiteren jedoch vorher verstorbenen Tochter der Erblasserin enterbt und pflichtteilsberechtigt. Die Pflichtteilsberechtigten/Töchter erhoben Klage gegen die Alleinerbin auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses, um den Bestand des Nachlasses in Erfahrung zu bringen. Die-sen Anspruch erkannte die Erbin vor Gericht an und legte am 4.Mai 2018 ein vom Notar erstelltes Nachlassverzeichnis vor. Über die Frage, ob das von der Erbin vorgelegte notarielle Nachlassverzeichnis vollständig ist, kam es zu einer Streitigkeit zwischen den Beteiligten. Diese Streitigkeit zog sich über mehrere gerichtliche Instanzen hin. Letztinstanzlich entschied der BGH im Jahr 2020, dass vorliegende notarielle Nachlassverzeichnis keine umfassen-den Angaben über die Geschäftsbeziehung der Erblasserin zu einer österreichischen Bank enthalten habe. Am 18.Juli 2020 legte die Erbin dann ein vom Notar überarbeitetes Nachlassverzeichnis vor, dass genaue Angaben zu einem Konto der Erblasserin bei der Rai…….bank M. im österreichischen Bun-desland K. enthielt. Die beiden Pflichtteilsberechtigten hielten ihren Auskunftsanspruch selbst nach Vorliegen dieses ergänzten Verzeichnisses für nicht erfüllt. Die Pflichtteilsberechtigten unternahmen weitere rechtliche Schritte gegen die Alleinerbin. Ihr Interesse bestand darin, weitere Daten speziell zu Bankverbindungen in Deutschland und Österreich zu erhalten. Schließlich lag die erbrechtliche Streitigkeit wieder dem BGH vor.

In dem Beschluss vom 7.März 2024 - Az: I ZB 40/23 stimmte der BGH der Argumentation der Alleinerbin zu. Das von der Erbin im Jahr 2020 vorgeleg-te überarbeitete Nachlassverzeichnis reiche aus. Den Pflichtteilsberechtigten stehe kein weiterer Auskunftsanspruch gegen die Erbin zu. Folgende Kriterien legte das höchste deutsche Zivilgericht bei seiner Entscheidung zugrunde: Vom Grundsatz her hat der Notar den Nachlass eigenständig zu ermitteln. Welche Ermittlungen er vornimmt, obliegt seiner Entscheidung nach eigenem pflichgemäßem Ermessen. Der Notar ist in der Ausgestaltung seiner Ermitt-lungen zum Nachlassbestand weitgehend frei, er hat jedoch Nachprüfungen vorzunehmen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Pflichtteilsberechtig-ten für notwendig halten würde. Der Notar hat den Erben ggf. aufzufordern, eigene Auskunftsansprüche gegenüber Banken durchzusetzen. Ohne nähere Anhaltspunkte muss der Notar keine Ermittlungen bei allen deutschen Banken anstellen, um weitere Konten der Erblasserin zu finden. Der Notar muss sich auch nicht an das Bundeszentralamt für Steuern wenden (§ 802 l Zivilprozessordnung - ZPO), um dort weitere Auskünfte zu den Konten der Erb-lasserin zu erfragen. Für eine solche Anfrage fehle es an einer rechtlichen Grundlage und eine solche stehe nicht mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Einklang. Angesichts von Mutmaßungen der Pflichtteilsberechtigten muss er keine weiteren Ermittlungen anstellen. Der BGH ging davon aus, dass die Erbin (und der Notar) alles getan hätten, um den Bestand des Nachlasses genauer anzugeben.

Quelle: Gerorg Weißenfels, Bankkonten des Erblassers - Wie tief muss der Notar bei einem Streit um den Pflichtteil für das notarielle Nachlassverzeichnis graben ? www.erbrecht-ratgeber.de


Bundesgerichtshof über Vorfälligkeitsentschädigung - Bank darf Negativzinsen verlangen

2.5.2024

Wenn ein Darlehen schon vor Vertragsende abgelöst wird, kann für die Vorfälligkeitsentschädigung auch ein negativer Wiederanlagezins berücksichtigt werden - so der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 12.März 2024 - Az: XI ZR 159/23. Selbst dann, wenn die Bank im Ergebnis mehr vereinnahmt als durch die entgangenen künftigen Zinseinnahmen.

Eine Bankkunde hatte hier ein Immobiliar-Darlehen i. H. v. 350 000 Euro abgeschlossen. Auf eigenen Wunsch zahlte der Kunde die Restsumme des Dar-lehns auf eigenen Wunsch vorzeitig zurück. Das Geldinstitut stellte ihm dafür eine Vorfälligkeitsentschädigung i. H. v. 33 300 Euro in Rechnung. Der Bankkunde leistete die Summe, u. a. einen Anteil für negative Zinsen (2 600 Euro) und klagte. Das Oberlandesgericht (OLG) sprach ihm zweitinstanzlich einen Anspruch auf Rückzahlung der von der Bank bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach § 490 Abs.2 S.3 und S.1 i. V. m. § 488 Abs.3 S.2 BGB angesetzten “negativen Zinsen” von 2 600 Euro zu. Im Zuge der Aktiv-Passiv-Methoden (dabei werden die vorzeitig freigewordenen Dar-lehnsbeträge fiktiv wieder investiert) schulde er keine negativen Zinsen - laut OLG-Senat. Denn sonst bekomme der Darlehnsgeber mehr als bei ordnungs-gemäßer Erfüllung des Darlehnsvertrags. Der für das Darlehnsrecht zuständige XI. Zivilsenat des BGH hob die Entscheidung des OLG auf und wies die Klage vollumfänglich ab (BGH Urteil vom 12.März 2024 - Az: XI ZR 159/23). Die Bank habe die “negativen Zinsen” i. H. v. 2 600 Euro zu Recht ver-langt. Das OLG hätte erkennen müssen, dass der Bank bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehnskapitals im derzeitigen Zinsumfeld ein höherer Schaden entstehe, als sie im Falle der vertraglichen Erfüllung Zinsen hätte verlangen können, beanstandete der BGH-Senat. Der Darlehnsgeber sollte bei vorzeiti-ger Rückzahlung des Darlehnskapitals und der Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung wirtschaftlich im Ergebnis so gestellt werden, wie er stünde, wenn das Darlehen für den ursprünglich vereinbarten Festschreibungszeitraum fortgeführt und mit Zinsen bedient worden wäre. “Der mit der Aktiv-Passiv-Me-thode berechnete Zinsverschlechterungsschaden umfasst (….) auch die bei einer laufzeitkongruenten Wiederanlage in Hypothekenpfandbriefen anfallen-den negativen Renditen” - stellte der BGH fest. Bei der Aktiv-Passiv-Methode handele es sich um eine fiktive Berechnung, die “darüber hinweghilft, dass es einer Bank häufig nicht möglich oder zumutbar ist, durch eine vorzeitige Darlehnsablösung frei gewordene Mittel laufzeitkongruent in gleichartige Dar-lehen anzulegen.” Die Bank könne so ihren Nichterfüllungsschaden oder ihre Vorfälligkeitsentschädigung auf Grundlage einer laufzeitkongruenten Wieder-anlage der frei gewordenen Beträge in sicheren Kapitalmarkttiteln berechnen - unabhängig vom jeweiligen Zinsumfeld.


Finanzgericht über Kombi-Ticket für Schwimmbad und Sauna - Kein ermäßigter Steuersatz

1.5.2024

Das Angebot zur Nutzung eines Sportschwimmbads und einer daran angeschlossenen Sauna zu einem einheitlichen Preis unterliegt nicht dem ermäßig-ten Steuersatz, der für den Betrieb von Schwimmbädern vorgesehen ist - betonte das Niedersächsische Finanzgericht im Urteil vom 23.Mai 2023 - Az: 5 K 3/22. Hier liege eine untrennbare Leistung vor.

Die Betreiberin eines Schwimmbads hat einen kombinierten Eintrittspreis zur Schwimmbad- und Saunanutzung angeboten. Den Gesamtumsatz erklärte sie mit dem ermäßigten Steuersatz für Schwimmbadleistungen nach § 12 Abs.2 Nr.9 S.1 Umsatzsteuergesetz (UStG), weil sie davon ausging, die Nut-zungsmöglichkeit der Sauna stelle eine Nebenleistung zur Schwimmbadnutzung dar. Dies akzeptierte das Finanzamt nicht, es kam zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Umsatzsteuerrechtlich ist in der Regel jede Lieferung oder Dienstleistung als eine selbständige Leistung zu betrachten. Bei einem Bündel aus Einzelleistungen ist aber im Zuge einer Gesamtbetrachtung aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers zu bestimmen, ob zwei oder mehrere getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz, der einheitlich zu besteuern ist. Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) hat die Klage der Schwimmbadbetreiberin mit Urteil vom 23.Mai 2023 - Az: 5 K 3/22 abgewiesen, da es Schwimmbad und Nutzung der Sauna vorliegend als einheitliche Leistung sieht, die auch einheitlich zu besteuern ist. Ein Saunagang könne anders als etwa die Nutzung von Dusch- oder Umkleidekabine nicht als bloße Nebenleistung eines Schwimmbadbesuchs gesehen werden. Das Schwimmbad biete vielmehr eine einheitliche Leistung an, die aus den Betätigungen Schwimmen und Saunieren bestehe, deren Aufspaltung realitätsfern sei. Das habe umso mehr Geltung, als die Betreiberin insbesondere mit der kombi-nierten Nutzungsmöglichkeit den dafür günstigen Eintrittspreis nehme. Diese einheitliche Leistung unterliege sodann dem Regelsteuersatz und nicht der Besteuerung zum ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs.2 Nr.9 S.1 UStG. Denn die Steuerermäßigung gelte nur für die unmittelbare mt dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze und scheide aus, wenn die Überlassung des Schwimmbads - wie hier - “mit weiteren, nicht begünstigten Ein-richtungen, die nicht Nebenleistungen sind, im Rahmen einer einheitlichen Leistung erfolgt.” 

Quelle: Niedersächsisches Finanzgericht Hannover Newsletter 4/2024 vom 20.März 2024


Arbeitsgericht: Kein allgemeiner Unterlassungsanspruch des Betriebsrates bei Betriebsänderungen

1.5.2024

In der Rechtsprechung und der Literatur ist umstritten, ob sich aus den § 111 ff. Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bzw. aus §§ 935, 938 Zivilprozess-ordnung (ZPO) ein Anspruch des Betriebsrates auf Unterlassung von Betriebsänderungen bis zum Abschluss der vom Arbeitgeber geschuldeten Informa-tion und Beratung ergibt. Nach Meinung der Kammer des Arbeitsgerichts (ArbG) Erfurt im Beschluss vom 19.Februar 2024 - Az: 6 BVGa 1/24 besteht kein allgemeiner Unterlassungsanspruch des Betriebsrates bei Betriebsänderungen.

Der Beteiligte zu 1) ist der Betriebsrat der Beteiligten zu 2). Diese beschäftigt 212 Arbeitnehmer. Die Beteiligte zu 2) produziert Etiketten für verschiedene Firmen, schwerpunktmäßig in den Sparten Home & Beauty. Sie ist Teil der A. Group. Die Muttergesellschaft ist die A-GmbH. Insgesamt bilden ca. 29 Fir-men in mehreren europäischen Ländern diesen Konzern mit einem Umsatzvolumen von mehr als 1 Milliarden jährlich. Der Betrieb der Beteiligten zu 2) beliefert vor allem internationale Großkunden. Am 14.Dezember 2023 wurde der Beteiligte zu 1) gem. §§ 92, 106, 111 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), § 178 Sozialgesetzbuch (SGB) 9.Buch hinischtlich der Planung einer Betriebsänderung schriftlich über die Absicht der Stilllegung des Betriebs der Beteiligten zu 2) im Laufe des 3.Quartals 2024 in Kenntnis gesetzt. In dem Schreiben wurde dargelegt, dass zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und damit auch der Sicherung der Zukunft der A. Group insgesamt die Schließung des Standortes der Beteiligten zu 2) zwingend erforderlich und alterna-tivlos sei. Eine Auslastung von 60 Prozent der Standorte in Europa, ein absehbarer Umsatzrückgang in 2024, der Preisdruck im Home-Care-Markt und die Bevorzugung lokaler Beliefereung wurden als Gründe für die beabsichtigte Schließung benannt. Das Schreiben enthielt zudem eine Liste mit geplanten Maßnahmen, den Entwurf eines Interessenausgleichs, den Entwurf eines Sozialplans sowie den Entwurf einer Vereinbarung über eine Einigungsstelle, falls es nicht bis spätestens zum 29.Februar 2024 gelingen sollte, sich auf einen Sozialplan zu einigen. Der Beteiligte zu 1) war der Auffassung, ihm ste-he ein Verfügungsanspruch auf Unterlassung der betriebsinternen Maßnahme zu. Die Beteiligte zu 2) versuche dadurch schon vollendete Tatsachen zu schaffen, die eine Einflussnahme des Beteiligten zu 1) auf zukünftige Maßnahmen verhindere. Die Beteiligte zu 2) nehme damit den Beteiligten zu 1) die Möglichkeit, durch eigene Vorschläge, wie z. B. die Fortführung der Produktion mit einem Teil der Belegschaft, auf die Betriebsänderung Einfluss zu neh-men. Der Beteiligte zu 1) machte wegen der beabsichtigten Betriebschließung einen Unterlassungsanspruch im Wege der einstweiligen Verfügung gel-tend. Das ArbG hat den Antrag zurückgewiesen (ArbG Erfurt Beschluss vom 19.Februar 2024 - Az: 6 BVGa 1/24). Der Antrag auf einstweilige Verfügung war unbegründet, da es schon an einem Verfügungsanspruch fehlte. Es ist in der Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob sich aus den § 111 ff. BetrVG bzw. aus §§ 935, 938 ZPO ein Anspruch des Betriebsrates auf Unterlassung von Betriebsänderungen bis zum Abschluss der vom Arbeitgeber geschuldeten Information und Beratung ergibt. Nach Auffassung der Kammer des ArbG besteht kein allgemeiner Unterlassungsanspruch des Betriebsra-tes bei Betriebsänderungen. Gegen einen solchen Anspruch aus § 111 BetrVG spricht schon der Gesetzeswortlaut, der lediglich einen Unterrichtungs- und Beratungsanspruch des Betriebsrates vorsieht. Insofern wird auf die Argumentation des Landesarbeitsgerichts (LAG) Rheinland-Pfalz Urteil vom 24.November 2009 - Az: 9 TaBV 29/09 - Rn. 37 ff. Bezug genommen. In der BAG-Entscheidung vom 3.Mai 1994 - Az: 1 ABR 24/93 wurde ein Un-terlassungsanspruch zwar wesentlich deshalb bejaht, da § 87 BetrVG die erzwingbare Mitbestimmung regelt und der Gesetzgeber einen betriebsverfas-sungswidrigen Zustand in diesem Bereich nicht dulden wolle. Auch die Umstände der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes (2001) spreche gegen einen allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrates im Bereich der §§ 111 ff. BetrVG. Selbst für den Fall der Annahme eines allgemeinen Unterlassungsanspruchs hatte der Beteiligte zu 1) vorliegend nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass die aufgeführten Maßnahmen schon eine Um-setzung der beabsichtigten Schließung darstellen. Der Unternehmer beginnt mit der Durchführung einer Betriebsänderung, wenn er unumkehrbar Maß-nahmen ergreift und damit vollendete Tatsachen schafft. Eine Betriebsänderung in der Form der Stilllegung besteht in der Aufgabe des Betriebs unter gleichzeitiger Auflösung der Betriebsorganisation für unbestimmte, nicht für für vorübergehende Zeit. Ihre Umsetzung geschieht sobald der Unternehmer unumkehrbare Maßnahmen zur Auflösung der betrieblichen Organisation ergreift. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn er die bestehenden Arbeitsver-hältnisse zum Zwecke der Betriebsstilllegung kündigt. Die hier aufgeführte Maßnahme waren allerdings nicht unumkehrbar bzw. von der Beteiligten zu 2) nicht beeinflussbar. Sie hatten keine Auflösung der Betriebsorganisation zur Konsequenz. Auch geschlossene Aufhebungsverträge stellen noch keine Umsetzung der Betriebsänderung dar. Denn es steht jedem Arbeitnehmer frei, sich an dem Arbeitgber zu wenden u. a. um Aufhebung des Arbeitsvertrags im Hinblich auf die beabsichtigte Betriebsschließung zu bitten.


Oberlandesgericht zu unwirksamer Klausel im Verbrauchsgüterkaufverträgen über Reisemobile

25.4.2024

Das Ergebnis, dass eine Klausel bei einer bestimmten, hier nicht gegebenen Vertragsgestaltung zulässig sein kann, führt nicht dazu, dass die Unterlas-sungsklage abzuweisen wäre. Dies würde dem Rechtsschutzgedanken gegen eine unzulässige Klauselverwendung unterlaufen - äußerte das Oberlan-desgericht (OLG) Stuttgart im Urteil vom 11.April 2024 - Az: 2 U 196/22.  

Der Beklagte verkauft Reisemobile und verwendet folgende Klausel in seinen Verträgen: “Liefertermine und Lieferfristen, die verbindlich oder unverbind-lich vereinbart werden können, sind schriftlich anzugeben.” Bei dem Kläger handelt es sich um einen eingetragenen Verein, dieser vertrat die Auffassung, die Klausel verstoße gegen § 307 Abs.1, Abs.2 Nr.1 BGB, weil nach dem Wortlaut der Klausel auch nach Vertragsschluss getroffene mündliche Abreden über Liefertermine und Lieferfristen für unwirksam erklärt würden. Damit werde der Vorrang der Individualabreden (§ 305 lit b.BGB) unterlaufen. Das Landgericht (LG) hielt die Klage für unbegründet. Der Bundesgerichtshof (BGH) habe eine entsprechende Klausel für wirksam erachtet. In dem dort ent-schiedenen Sachverhalt sei auf der Vorderseite des Bestellscheins unmittelbar unter der Unterschrift des Bestellers eine Spalte vorgesehen gewesen, in der die Lieferzeit bzw. Liefertermine einzutragen gewesen seien. In zwei dafür vorgemerkten Feldern sei zudem anzukreuzen gewesen, ob die Frist unverbind-lich oder verbindlich sein solle. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG Stuttgart die Entscheidung der Vorinstanz abgeändert und der Beklagten unter-sagt, gegenüber Verbrauchern nach § 13 BGB die hier maßgebliche oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren AGB in Verbindung mit Verbrauchsgüterkauf-verträgen über neue Wohnwagen und Wohnmobile zu verwenden oder sich auf die Klausel zu beziehen. Der Kläger kann gem. § 1 i. V. m. § 3 As.1 S.1 Unterlassungsklagegesetz (UKlaG) fordern, dass der Beklagte es unterlässt, die beanstandete Klausel zu verwenden oder sich auf diese zu berufen. Wer in AGB Bestimmungen, die nach den §§ 307 bis 309 BGB unwirksam sind, nutzt, kann gem. § 1 UKlaG auf Unterlassung in Anspruch genommen werden - hob der OLG-Senat im Urteil vom 11.April 2024 - Az: 2 U 196/22 hervor. Bestimmungen in AGB sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzuneh-men, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Schrift-formklausel sind jedoch schlechthin unzulässig. Für eine der vorliegenden Fallgestaltung entsprechende Klausel hat der BGH angenommen, dass diese zumindest die Möglichkeit nahelegt, ein Käufer werde mit seinem Vorbringen, ihm sei mündlich eine Lieferzeitpunkt versprochen worden, vom Verwenden der Klausel unter Verweisung auf diese Klausel zurückgewiesen, was für sich genommen eine Unterlassungsklage rechtfertigen würde (Verweis auf BGH Urteil vom 7.Oktober 1981 - Az: VIII  ZR 229/80). Dies überzeugt auch im vorliegenden Fall. Sofern der BGH früher die Klausel für wirksam ansieht, lag dies an einer besonderen Vertragsgestaltung, die sich jedoch von der vorliegenden unterscheidet. Entgegen der Position des LG führt das Ergebnis, dass eine Klausel bei einer vorliegend nicht gegebenen Vertragsgestaltung zulässig sei nicht dazu, dass die Unterlassungsklage abzuweisen wäre. Dies würde die Rechtschutzmöglichkeit eines Verbands gegen eine unzulässige Klauselverwendung unterlaufen. Gegenstand des Verfahrens und dort der Untersagung sind vielmehr ausschließlich die von der Beklagten verwendeten Bestimmungen im Kontext ihres Vertragswerks. Aus diesem Grund ist weder geboten noch zulässig, in die Entscheidungsformel aufzunehmen, unter welchen besonderen, hier nicht gegebenen Umständen die Klausel zulässig wäre (u. a. BGH Urteil v. 7.Juni 1982 - Az: VIII ZR 139/81 u. a.).


Oberverwaltungsgericht: Errichtung kleinerer Windenergieanlagen für Eigenbedarf im Außenbereich privilegiert

25.4.2024

Die Errichtung kleinerer Windenergieanlagen im eigenen Außenbereich ist ein baurechtlich privilegiertes Vorhaben der Nutzung der Windenergie, auch wenn es nicht mittels Netzeinspeisung des erzeugten Stroms der öffentlichen Energieversorgung, sondern der Deckung des privaten Verbrauchs dient - machte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Koblenz im Urteil vom 4.April 2024 - Az: 1 A 10247/23 OVG deutlich.

Die Kläger beantragten, ihnen einen Bauvorbescheid zur Errichtung von einer Kleinwindenergieanlage (Gesamthöhe 6,5 Meter) auf ihrem Grundstück im Außenbereich auszustellen. Der Landkreis A. lehnte dies ab. Die Anlage sei nicht als im Außenbereich privilegiertes Vorhaben der Nutzung der Windener-gie anzusehen, weil die Privilegierung auf solchen Windenergieanlagen zu beschränken sei, die der öffentlichen Versorgung dienten. Außerdem stünden öffentliche Belange dem Vorhaben entgegen. Die Kläger wandten sich dagegen. Das Verwaltungsgericht (VG) verpflichtete den beklagten Landkreis zur Errichtung des beantragten Bauvorhabens. Die dagegen eingelegte Berufung des Landkreises wies das OVG Koblenz zurück. Das VG habe den Beklagten zu Recht zur Erteilung des beantragten Bauvorbescheids verpflichtet. Bei der Errichtung und dem Betrieb der vier Kleinwindenergieanlagen handele es sich um eine der Nutzung der Windenergie dienendes privilegiertes Vorhaben i. S. d. § 35 Abs.1 Baugesetzbuch (BauGB), das im Außenbereich zuge-lassen werden könne. Entgegen der Ansicht des Beklagten ließe sich aus der Entstehungsgesichte der Regelung keine hinreichenden Anhaltspunkte für ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 35 Abs.1 Nr.5 BauGB herleiten, wonach das Vorhaben nicht nur der Nutzung der Windenergie, sondern - mittels Netzeinspeisung des erzeugten Stroms - auch der öffentlichen Energieversorgung dienen müsse. Gegen ein solches ungeschriebenes Erfordernis sprächen auch Sinn und Zweck der Norm. Diese dienen letztendlich einer umweltschonenden Energieversorgung über eine verstärkte Nutzung erneuer-barer Energien, wozu Windnergieanlagen auch dann beitragen, wenn sie allein zur Deckung eines privaten Verbrauchs errichtet würden. Die überragende Bedeutung dieses Ziels habe der Gesetzgeber mehrfach in seiner Normsetzung herausgestellt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus einem früheren Urteil dieses Gerichts aus dem Jahr 2018, an dem der hier erkennende Senat in Bezug auf den geförderten öffentlichen Versorgungszweck in einer neu-eren Entscheidung aus dem Jahr 2023 ersichtlich nicht mehr festhielt. Nicht nachvollziehbar sei die vom Beklagten ferner geltend gemachte Befürchtung, dass bei einer Privilegierung von allein der privaten Versorgung dienenden Kleinwindenergieanlagen im Außenbereich komme unter wirtschaftlichen Ge-sichtspunkten nur dann infrage, falls der erzeugte Strom durch einen dort in der Nähe der Anlage vorhandenen Verbraucher abgenommen oder ins Strom-netz eingespeist werde. Dies sei in der Regel nicht der Fall, da ein Endabnehmer vor Ort im Außenbereich nur ausnahmsweise vorhanden sei und der Bau einer Leitung allein zum Zweck der Einspeisung des mit der Kleinanlage erzeugten Stroms in ein öffentliches Netz unter Rentabilitätsgesichtspunkten ausschied. Dem privilegierten Vorhaben stünden auch keine öffentlichen Belange entgegen - so das OVG.


Finanzgericht zu entgeltlichem Verzicht auf Nießbrauchsrecht

27.4.2024

Das Finanzgericht (FG) Münster hat mit Urteil vom 12.Dezember 2023 - Az: 6 K 2489/22 E dargelegt, dass der entgeltliche Verzicht auf ein Nieß-brauchsrecht keine Veräußerung i. S. d. § 23 Einkommensteuergesetz (EStG) ist. In seiner Entscheidung hat der FG-Senat erklärt, dass ein unentgeltlich eingeräumtes Nießbrauchsrecht ein Wirtschaftsgut i. S. d. § 23 Abs.1 S.1 Nr.2 EStG ist, dass einlage- und entnahmefähig ist. Der entgeltliche Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht stelle keine Veräußerung, sondern einen veräußerungsähnlichen Vorgang dar, der nicht unter § 23 EStG fällt.

Im vorliegenden Fall war zu prüfen, ob die entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchsrechts zu Einkünften i. S. v. § 23 EStG führt. Das Finanzamt hat den Gewinn aus dem entgeltlichen Verzicht der Klägerin auf das Nießbrauchsrecht als Gewinn nach § 23 Abs.1 S.1 Nr.2 EStG angesehen, da der Verzicht in-nerhalb der 10-jährigen Veräußerung geschehen ist. Dagegen argumentierte die Klägerin, dass weder ein Anschaffungsvorgang noch ein Veräußerungs-vorgang i. S. d. § 23 EStG gegeben ist. Es habe ein nicht steuerbarer Vermögensaustausch stattgefunden, sodass keine Einkünfte aus § 23 EStG erzielt worden seien. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren trägt die Klägerin weiterhin vor, dass auf die Annahme des Vermächtnisses im Jahr 2008 abzu-stellen sei, sodass der Anwendungsbereich des § 23 Abs.1 S.1 Nr. 2 S.4 EStG nicht eröffnet sei. Vor dem FG ist die Klägerin erfolgreich. Der FG-Senat erklärt, dass das Nießbrauchsrecht durch den entgeltlichen Verzicht im Jahr 2019 nicht i. S. des § 23 Abs.1 S.1 Nr.2 EStG veräußert wurde. Der Verzicht auf das Wirtschaftsgut “Nießbrauchsrecht” sei keine Veräußerung, sondern ein veräußerungsähnlicher Vorgang, da der für die Annahme einer Veräußerung notwendige Rechtsträgerwechsel nicht stattgefunden habe. Derartige veräußerungsähnliche Vorgänge würden von § 23 EStG nicht erfasst. In der zu § 22 Nr.3 EStG vorhandenen Rechsprechung unterscheidet der Bundesfinanzhof (BFH) zwischen Veräußerungsvorgängen und veräußerungsähnlichen Vorgän-gen im Privatbereich. Nur in Verbindung mit Veräußerungsvorgängen finde § 23 EStG Erwähnung. Bezüglich veräußerungsähnlicher Vorgänge im Privat-bereich bleibe § 23 EStG ausdrücklich unerwähnt. Eine über den Wortlaut hinausgehende erweiterte Auslegung des § 23 EStG sei nicht geboten, sodass § 23 EStG auf den veräußerungsähnlichen Vorgang des Verzichts auf einen Nießbrauch nicht anzuwenden sei. Das Finanzgericht Münster hat gegen das Urteil vom 12.Dezember 2023 - Az: 6 K 2489/22 E die Revision zugelassen (beim Bundesfinanzhof unter Az: IX R 4/24 anhängig).

Quelle: Georg Schmitt, Entgeltlicher Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht, www.haufe.de KOMMENTIERUNG 20.03.2024

 


Landessozialgericht: Jobcenter darf Geldgeschenk für Reise zu berühmter Pilgerstätte berücksichtigen

28.4.2024

Eine Familie aus der Hauptstadt hatte von einer älteren Dame einen ansehnlichen Geldbetrag (65 000 Euro) zwecks Durchführung einer Reise zu einer berühmten Pilgerstätte geschenkt bekommen. Doch die Freude über die Großzügigkeit der Seniorin währte nicht lange. Das Jobcenter darf nach einem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 24.April 2024 - Az: L 18 AS 684/22 das Geschenk auf SGB-II-Leistungen anrechnen, die von der Familie bezogen wurden. Laut der Kammer des LSG muss die Familie 22 600 Euro erstatten.

In dem zu klärenden Fall hatte die Familie den Betrag von einer Nachbarin geschenkt bekommen, um die sie sich gekümmert hatte. Dem Jobcenter teil-ten die Bezieher von SGB-II-Leistungen dies nicht mit, schließlich habe ihnen die Nachbarin das Geld zugewandt, damit sie sich den ersehnten Wunsch erfüllen könnten, an eine berühmte Pilgerstätte zu reisen. Nachdem die Behörde von der Schenkung Kenntnis bekommen hatte, nahm diese alle Bewilli-gungsbescheide für die Zeit nach der Schenkung zurück und forderte die Rückzahlung von rd. 22 600 Euro. Die Familie meinte, die Zuwendung für die Reise nach M. eingesetzt zu haben, Belege für eine Reise konnte sie dem Gericht nicht vorlegen. Alles sei in bar und ohne Quittung bezahlt worden. Vor dem Sozialgericht (SG) und dem LSG Berlin-Brandenburg fand dieser Hinweis keine Beachtung. Das LSG sah die Familie nach dem Erhalt des Geldes durch die Nachbarin nicht als hilfebedürftig an. Dass die Zuwendung als Einkommen auf das Bürgergeld angerechnet werde, sei auch nicht unbillig. Be-zieher von Bürgergeld seien vom Grundsatz her nicht verpflichtet, im Zuge der Selbsthilfe jegliche Einnahmen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts zu vermeiden. Anders liege es in Fällen, in dem - wie vorliegend - eine Geldzuwendung mit einem objektiven Zweck verbunden sei, der bei einer Anrech-nung nicht mehr zu erreichen wäre. Solche Geldzuwendungen seien jedoch nicht in unbegrenzter Höhe privilegiert. Obergrenze seien die geltenden Ver-mögensfreibeträge, die sich für die Familie zusammen auf 16 500 Euro belaufen hätten. Der Restbetrag i. H. v. 48 750 Euro reiche für die Bedarfs-deckung aus. Dass die Familie das Geld verbraucht habe, hielt das LSG nicht für glaubwürdig. Es stehe im Widerspruch zur allgemeinen Lebenserfah-rung, eine Flugreise, die mehr als 5 000 Euro kostet, in bar zu zahlen. Auch fehle es an genauen Angaben zum Reisezeitpunkt, die außer Flugtickets und Belege über Hotelübernachtungen, z. B. auch durch Ein- und Ausreisestempel im Pass der Familienmitglieder belegbar wären. Gegen das Urteil vom 24.April 2024 - Az: L 18 AS 684/22 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die Revision nicht zugelassen (ggf. Nichtzulassungsbeschwerde).

Quelle: Redaktion beck-aktuell, bw, Bürgergeld: Jobcenter darf Geldgeschenk für Pilgerreise anrechnen, rsw.beck.de 25.April 2024


Oberlandesgericht über Einfamilienhaus i. S. des §§ 656a ff. BGB

29.4.2024

Eine Anwendung der §§ 656a ff. BGB auf Objekte mit mehreren Wohnungseigentumseinheiten unter dem Begriff “Wohnung” scheidet aus. Im Zuge der Klärung, ob ein Objekt als “Einfamilienhaus” i. S. d. §§ 656a ff. BGB zu qualifizieren ist, ist darauf abzustellen, ob eine Nutzung des Gesamtobjekts durch die Mitglieder eines einzigen Haushalts nach der Aufteilung des Gebäudes und dessen sonstigen Eigenschaften unter Beachtung der Verkehrsanschau-ung objektiv angelegt ist - führte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm im Urteil vom 18.März 2024 - Az: 18 U 80/23 aus.

Der Klägerin ist eine gewerbliche Maklerin. Sie hatte eine aus zwei Wohnungseinheiten bestehende Immobilie im Auftrag des früheren Eigentümers im Internet zum Verkauf angeboten. Der Tätigkeit der Klägerin für den Eigentümer, der den Vermarktungsauftrag nach dem 23.Dezember 2020 erteilt hatte, erfolgt vereinbarungsgemäß unentgeltlich. Das zu vermarktende Objekt stellt sich folgendermaßen dar: Eine etwa 95 Quadratmeter große Wohnung nahm den Großteil des Erdgeschosses ein, die andere, etwa 145 Quadratmeter große Wohnung den verblebenden Teil des Erdgeschosses und das Ober- bzw. Dachgeschoss. Beide Wohnungen hatten separate Eingänge. Es existierte eine Verbindungstür zwischen dem Eingangsbereich der größeren Wohnung und einen damals als Wohn- und Schlafzimmer dienenden Raum der kleineren Wohnung. Vom Flur der kleinen Wohnung führt eine Treppe in den Keller. Ein weiterer Zugang zum Keller war über eine Außentreppe gegeben. Die einzelnen Kellerräume standen zum Teil im Gemeinschaftseigentum, zum Teil waren diese den einzelnen Wohnungseigentumseinheiten zugeordnet. Die Versorgung des Objekts mit Gas und Wasser erfolgte jeweils über einen einzigen Zäh-ler. Im Exposè wurde das Objekt als Zwei- bzw. Mehrfamilienhaus bezeichnet. Am 18.März 2021 kam es zu einer Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beklagten mit der sich dieser für den Fall des Erwerbs des Objekts zur Zahlung einer Käuferprovision i. H. v. 7,14 Prozent des Kaufpreises ver-pflichtet. Mit notariellem Kaufvertrag vom 31.Mai 2021 erwarb der Beklagte das Objekt zum Preis von 369 000 Euro. Die Klägerin stellte ihm am 11. Juni 2021 eine Provision i. H. v. 26 346 Euro in Rechnung. Daraufhin stritten die Parteien darüber, ob die §§ 656a ff. BGB auf den von ihnen geschlos-senen Maklervertrag Anwendung finden. Das Landgericht (LG) hat die Klage der Maklerin abgewiesen. Es war der Auffassung, dass zwingende Anforde-rungen des § 656d BGB nicht erfüllt seien. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG Hamm das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Maklerprovision gem. § 652 Abs.1 S.1 BGB gegen den Beklagten. Der Maklervertrag ist wirksam. Insbesondere führt der Umstand, dass die Klägerin auch für den Verkäufer tätig war, ohne eine Provision in gleicher Höhe mit ihm vereinbart zu haben, nicht zur Unwirksamkeit des Maklervertrags gem. § 656c Abs. 2 S.1 BGB i. V. m. § 656c Abs.1 S.1 oder 2 BGB. § 656c BGB ist zwar in persönlicher und zeitlicher Hinsicht auf den Maklervertrag der Parteien anwendbar, da die Beklagten als Verbraucher gehandelt hatten (§ 656b BGB) und der Vertrag - wie auch die Vereinba-rung der Klägerin mit dem Eigentümer - nach dem 23.Dezember 2020 geschlossen worden war (Art. 229 § 53 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche - EGBGB). Jedoch war der sachliche Anwendungsbereich des § 656c BGB nicht eröffnet, weil die Maklertätigkeit der Klägerin nicht den Kauf einer Wohnung oder eines Einfamilienhauses i. S. d. §§ 656a ff. BGB betraf. Der Begriff “Wohnung” und “Einfamilienhaus” habe in § 656e BGB und § 656c BGB die gleiche Bedeutung. Die hier als Ganzes verkaufte Immobilie stellt keine Wohnung i. S. d. §§ 656a ff. BGB dar. Eine Anwendung der §§ 656a ff. BGB auf Objekte mit mehreren Wohnungseigentumseinheiten unter dem Begriff “Wohnung” scheidet aus, da das Gesetz von “einer” Wohnung spricht und andernfalls auch die Beschränkung der §§ 656a ff. BGB auf Einfamilienhäuser in Abgrenzung zu Mehrfamilienhäusern ihre Bedeutung verlö-ren. Im Zuge der Prüfung, ob ein Objekt als ”Einfamilienhaus" i. S. d. §§ 656a ff. BGB zu qualifizieren ist, ist darauf abzustellen, ob eine Nutzung des Ge-samtobjekts durch Mitglieder eines einzigen Haushalts nach der Aufteilung des Gebäudes und dessen sonstigen Eigenschaften unter Einbeziehung der Verkehrsanschauung objektiv angelegt ist. Das Vorhandensein einer zweiten Wohnung ist von untergeordneter Bedeutung und steht der Qualifikation ei-nes Objekts als “Einfamilienhaus” i. S. d. §§ 656a ff. BGB nicht entgegen. Die Frage der Unterordnung ist anhand einer Gesamtbetrachtung der objek-tiven Gegebenheiten unter Beachtung der Verkehrsanschauung zu beantworten. Die Gestaltungs- und Nutzungsabsicht des Ermessensspielraums spiele für die sachliche Anwendbarkeit der §§ 656a ff. BGB vom Grundsatz her keine Rolle, vielmehr kommt es allein auf den vorbestehenden Zustand des Objektes an. Zur Zeit der Vermakelung und des Verkaufs diente das streitgegenständliche Objekt nicht den Wohnzwecken der Mitglieder eines einzelnen Haushalts. Das Gebäude besteht nach der objektiven klar vorgegebenen Aufteilung des Erd- und Obergeschosses aus zwei grundsätzlich getrennten Wohneinheiten, die jeweils für die Nutzung durch einen eigenständigen Haushalt ausgelegt waren. Insbesondere verfügte jede Wohneinheit über einen gesonderten Eingang nebst Eingangsbereich, eine eigene Küche und ein eigenes, vollwertiges Badezimmer. Hinzu kommen jeweils weitere Räume zur Nutzung als Wohn-, Ess- und Schlafzimmer sowie ein eigener Außenbereich (Terrasse bzw. Balkon). Die im Erdgeschoss vorhandene Verbindung der Wohneinheiten über eine gewöhnliche Zimmertür stand einer Nutzungsdauer durch zwei eigenständige Haushalte nicht entgegen.